Hochsensibilität
Interview mit Kathrin Borghoff
“Macht doch mal etwas zum Thema Hochsensibilität!”
Das waren die Worte einer ehemaligen Glücksheldin-Kursteilnehmerin. Schnell war mit ihrer Hilfe die ideale Gesprächspartnerin gefunden: Kathrin Borghoff, Coach für hochsensible Menschen, Autorin und hochsensible Mutter.
Zur Podcastepisode vom 3. Januar 2023 gibt es hier alles zum Nachlesen, zusammengefasst für dich.
Hier kannst du dir die Podcastepisode “Hochsensibilität – bin ich hochsensibel?” anhören:
Klicke auf den unteren Button, um den Podcast-Player von Podigee zu laden.
1. Was ist Hochsensibilität? Bin ich hochsensibel?
Hochsensibilität bezieht sich auf die Reizverarbeitung im Gehirn, ist ein neurophysiologisches Phänomen. Diese Veranlagung bezieht sich u.a. auf die Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen.
Zum Beispiel haben auch schon einige unsere Vorfahren Sinneseindrücke stärker wahrgenommen, was sehr nützlich war, um Gefahren früh zu erkennen.
Wir sprechen nicht von einer Diagnose oder Krankheit. Die Pionierin in der Forschung ist Elaine Aron, die Ende der 90er u.a. einen Test entwickelte, bei dem jeder mit 27 Fragen eine Einschätzung bekommt, ob er oder sie hochsensibel sein könnte.
Es gibt 4 Säulen, anhand derer sich die Hochsensibilität gut verstehen und charakterisieren lässt:
2. Die vier Säulen der Hochsensibilität
2.1 Emotionale Intensität
Gefühle werden sehr stark und intensiv wahrgenommen. Gut zu beobachten ist das bei Kindern, zum Beispiel bei Wut, Trauer oder Freude. Bei Erwachsenen ist, das oft abtrainiert.
2.2 Sinnessensibilität
Die Sinneskanäle sind durchlässiger, zum Beispiel der Geruchssinn, der Geschmackssinn. Es kommen viel mehr Reize durch und es können auch mehr Reize verarbeitet werden. Orte, an denen viele Sinneseindrücke gleichzeitig auf den Menschen wirken, können stressreich sein, zum Beispiel der Supermarkt.
2.3 Verarbeitungstiefe
Das hochsensible Gehirn ist darauf ausgelegt, einen Reiz lang und ausführlich zu bearbeiten. Das kann zu einer Art von Expertentum führen, jedoch auch zu einem langen Nachhallen von Erlebtem, Grübeln etc.
Mein eigener Weg war zu Beginn eine große Krise. Ich blickte auf mein Leben zurück und stellte u.a. fest, dass meine Mutter auch hochsensibel ist. Ich wünschte mir, dass ich das schon früher gewusst hätte.
Kathrin Borghoff
2.4 Neigung zur Überstimulierung
Das Gehirn kann irgendwann unter der Arbeitslast einfach nicht mehr, es wird Stress produziert, verteilt sich auf den Körper.
Wenn wir nie gelernt haben, diesen Stress abzubauen und mit den Aspekten aus den 4 Säulen umzugehen, dann kommt es zu stressvollen Alltagsgedanken, -handlungen und -reaktionen.
Ziel ist es, neu zu lernen, mit der eigenen Hochsensibilität umzugehen und Strategien zu entwickeln. Die Hochsensibilität birgt darüber hinaus sehr kostbare Schätze, die es zu entdecken gilt.
3. Wie bist du zu dem Thema Hochsensibilität gekommen?
Vor allem habe ich sehr viel von meinem Sohn gelernt. Er war von Beginn an sehr intensiv, wir sind zum Beispiel aus dem Babymassagekurs geflogen, weil er es scheiße fand.
Auch mit anderen Kindern wollte er nicht spielen und alles, was außerhalb des ruhigen Zuhauses stattfand, stresste ihn. Er reagierte mit Veränderung des Schlafes, des Essensverhaltens etc. Er schrie sehr viel.
Ich stolperte über den Begriff Hochsensibilität und sah ein Interview darüber. Ich hatte das Gefühl, es wurde zu 100% mein Kind beschrieben.
Mein Mann sah das Video und erkannte zu 100% mich. Ich begann erst einmal mich damit zu beschäftigen, was mein Kind braucht, um seinen Stress herunterzufahren. Dann fing ich an dazu zu bloggen und bekam viel positives Feedback von anderen Eltern.
Als Stillberaterin stellte ich fest, bei einigen Frauen ging es nicht nur ums Stillen, sondern um Stress. Ich wollte feststellen, warum es Mütter gab, bei denen die normale Beratung nicht half, warum sie mehr brauchten.
Dann fing ich im Grunde an, Hochsensibilität zu studieren und startete schließlich ins Coaching. Mir wurde klar, dass es ein großes Spektrum, viele Facetten an Feinfühligkeit gab.
Mein eigener Weg war zu Beginn eine große Krise. Ich blickte auf mein Leben zurück und stellte u.a. fest, dass meine Mutter auch hochsensibel ist. Ich wünschte mir, dass ich das schon früher gewusst hätte. Ich bekam Gesprächstherapie verschrieben, allerdings brachte mir das nichts. Also begann ich, mit meinem Körper und meinem Nervensystem zu arbeiten. Meditation, Atemtechniken, Bewegungsabläufe, Achtsamkeit. Ich machte zahlreiche Weiterbildungen in dem Bereich und vergrößerte meine Schatzkiste mit Tools.
Jedem Menschen hilft etwas anderes, jedes Nervensystem ist anders. Ich selbst gehe z.B. nicht mehr einkaufen, weil ich weiß, dass mir das nicht guttut. Gleichzeitig kann ich stundenlang in der Tiefe arbeiten und zum Beispiel an meinen Büchern schreiben, ohne Probleme.
4. Hochsensibilität und Kinder
Die 4 Säulen gelten für Kinder wie Erwachsene. Hier bekommt man schonmal erste Hinweise.
Hochsensible Kinder werden oft so beschrieben, dass sie ihrem Alter voraus sind. Sie machen sich unheimlich viele Gedanken, haben viel Empathie und Mitgefühl.
Sie sind kleine Denker, die urplötzlich mit großen Zusammenhängen und Gedanken um die Ecke kommen.
Im letzten Kita-Jahr hängen sie oftmals sich an die Erzieher:innen, um schonmal vorzusorgen und in die Erwachsenenwelt der Schule einzutauchen.
Eingewöhnungsphasen dauern typischerweise sehr lang, auch bei der Schule. Sie lassen sich beim Kinderarzt nicht einfach so abhören oder abtasten. Sie weinen auf dem Weihnachtsmarkt, und sitzen bei großen Familienfeiern am liebsten in einem anderen Zimmer. Oft zeigen sie sehr eindrücklich ihre Gefühle. Es sind Kinder, die keinen Schritt mehr laufen, wenn Sand im Schuh ist, denen man die Etiketten aus der Kleidung schneiden muss, da sie stören. Oft sagen sie Sachen wie: Der Pullover kratzt, die Jeans engt mich ein. Sie lieben weiche Stoffe auf der Haut und reagieren sehr feinfühlig auf Stimmungen im Raum. Es gibt hier auch einen Test für Kinder.
5. Hochsensibel – was tun?
Ein Buch ist immer ein guter Einstieg:
So feinfühlig und so stark – Kathrin Borghoff
Wie Eltern sensible und hochsensible Kinder in Schule und Kindergarten unterstützen können
Hochsensibel Mama sein: Das Ressourcen-Buch – Kathrin Borghoff
Schritt für Schritt zeigt dieses Buch, wie es gelingt, sich selbstgerecht zu werden, ohne die Familie aus dem Blick zu verlieren.
Du kannst googeln, dir Gleichgesinnte suchen und so das Gefühl bekommen, nicht allein zu sein. Suche dir eine Community und erfahre dich selbst. Irgendwann dreht sich dann der Satz “ich bin falsch”, du beginnst dich selbst zu verstehen, zu akzeptieren und das ist ein sehr wichtiger Schritt.
Du kannst dann auch mit der Zeit deinen Alltag in kleinen Punkten umstrukturieren. Beispiel Supermarkt: Wenn es dir damit nicht gut geht, erkenne das an und bestelle lieber deine Lebensmittel zu dir nach Hause.
5.1 Hochsensibilität Test
Hier findet ihr nochmal die Links zu den Tests mit den 27 Fragen:
Test Erwachsene: https://kathrin-borghoff.de/selbsttest-bin-ich-hochsensibel/
Test Kinder: https://kathrin-borghoff.de/test-ist-mein-kind-hochsensibel/
Hier findest du Kathrin Borghoff:
Homepage: https://kathrin-borghoff.de/
Instagram: https://www.instagram.com/kathrin.borghoff/
Facebook: https://www.facebook.com/kathrin.borghoff/
Wenn du gerade komplett überfordert von deinem Leben als Mutter bist, lies nach, ob du ein Mama Burnout haben könntest.
Antworten