Erziehen ohne Schreien – Hilfe, ich schreie meine Kinder an!
Erziehen ohne zu schreien ist die Wunschvorstellung vieler Eltern. Aber Hand aufs Herz: Im hektischen Alltag passiert es schnell, dass es wütend aus dir heraus platzt und du dein Kind anschreist. Und ebenso schnell folgt das schlechte Gewissen.
- Die 1. Botschaft dieses Textes lautet daher: So gut wie alle Eltern sind mal ungeduldig und schreien ihre Kinder an. Du bist deswegen keine schlechte Mutter und kein schlechter Vater.
- Die 2. Botschaft für dich: Erziehen ohne Schreien kann funktionieren! Vielleicht nicht immer und überall, aber meistens.
Gestresste Eltern schreien
Kinder zu erziehen ist anstrengend. Natürlich gibt es auch viele wunderschöne Momente und Erlebnisse, doch die Phasen der Wut und Überforderung gehören ganz klar zur Kindererziehung – keine Mutter und kein Vater braucht sich dafür zu schämen (vgl. auch hier: Mama-Burnout).
Das Blöde ist nur: nach einem Wutausbruch oder einer Schimpftirade gegenüber den Kindern, fühlst du dich nicht besser, sondern schlechter und Schuldgefühle bauen sich auf. Du hast zwar gezeigt, dass du Grenzen setzen kannst, aber wie und um welchen Preis?
Wahrscheinlich hat dein Kind nicht einmal richtig verstanden, warum du so wütend bist. Was ein Kind aber sehr wohl mitbekommt: Dass Anschreien eine wirksame Methode zu sein scheint, um die eigenen Bedürfnisse oder Ziele durchzusetzen.
Warum schreie ich mein Kind an?
Gute Frage! Deine Kinder sind jedenfalls nicht die Ursache, sondern vielmehr ein Auslöser. Wenn du brüllst oder dein:e Partner:in die Kinder anschreit, dann stecken dahinter meist überholte Glaubenssätze, ungesunde Ideale oder dysfunktionale Verhaltensweisen.
Verschwende keine unnötige Energie darauf, die Kids ständig zurechtzuweisen – das funktioniert nämlich nicht, weil ich Kinder nun mal wie Kinder verhalten. Stattdessen solltest du dich fragen, wie du deine Selbstbeherrschung verbessern kannst und was dich zum Ausrasten bringt.
- Reagierst du gereizter, wenn du noch nicht viel gegessen hast und hungrig bist? Dann wäre eine Möglichkeit, mehr auf deinen Ernährungs- und Energiehaushalt zu achten.
- Bist du erschöpft, weil du zu wenig Schlaf bekommst? Hier könnten frühere Schlafenszeiten oder Entspannungstechniken das richtige Mittel sein, um gelassener zu werden.
- Überfordert dich der Alltag, weil einfach so viel auf deinen Schultern lastet? (vgl. Mental Load & unsichtbare Care-Arbeit) Sprich mit deinem Partner oder deiner Partnerin darüber und versucht gemeinsam, die Aufgaben fair aufzuteilen.
Das sind jetzt nur ein paar Beispiele von vielen. Weiter unten im Text erhältst du mehr konkrete Tipps zur Kindererziehung ohne Schreien.
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Kind anbrüllen – 3 unmittelbare Auswirkungen
1. Kinder erlernen Schreien als Konfliktbewältigung und machen es nach (Lernen am Modell)
2. Wut provoziert entsprechende Gegenreaktionen (Aggressionen, Angst) bei Kindern
3. Beziehung zwischen Eltern und Kindern verschlechtert sich
Dürfen Eltern ihre Kinder anschreien?
Also jetzt generell: Wenn sich das Anbrüllen von Kindern so negativ auswirkt, dürfen Eltern dann überhaupt schreien? Tatsächlich steht in manchen Artikeln, es wäre bereits fatal, wenn dir das ab und zu mal passiert. Da könnte man glatt glauben, Eltern müssten meditierend durch den Tag schweben und zum buddhistischen Mönch werden.
Das ist natürlich völliger Quatsch.
Eltern dürfen mal schreien. Es geht ja gerade darum, dass du, ich und alle anderen von Klein auf gelernt haben, negative Gefühle zu unterdrücken oder nicht zu zeigen. Wie ungesund das ist, wissen wir alle mittlerweile. Deshalb ist es jetzt so wichtig, einen sinnvollen Weg im Umgang mit diesen Gefühlen zu finden – und deinem Kind gleichzeitig zu zeigen, wie es richtig geht.
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Erziehen ohne Schreien & Schimpfen – Tipps & Strategien
Eines vorweg: Du wirst nicht über Nacht der coolste Vater oder die gelassenste Mutter der Welt. Sich das Schreien gegenüber den Kindern abzugewöhnen, erfordert also etwas Übung. Bitte mache dir daher keine Sorgen, wenn Dinge nicht auf Anhieb klappen. Und bleib dran!
Mit den folgenden Tipps für das Erziehen ohne Schreien kannst du dir viel Stress ersparen oder die ausbrechende Energie deiner Wut positiv ummünzen.
1. Bewusst positiv formulieren
Statt den Fokus auf das Negative zu legen, also das, was dein Kind nicht machen soll, kannst du positive Formulierungen nutzen. Die motivieren nämlich viel mehr als Verbote und werden auch besser verstanden. Ein Beispiel: Dein Kind ist laut oder quengelt. Anstatt zu poltern: „Hör jetzt auf zu schreien!“ sag lieber: „Sprich leiser, mein Schatz. Ich höre dir zu“.
2. Konkrete & klare Aussagen treffen
Klare und genaue Angaben helfen deinem Kind, zu verstehen, was genau du von ihm erwartest. Allgemeine Aussagen, wie „Wir müssen unbedingt noch dein Zimmer aufräumen.“, sind nicht klar genug. Besser wäre: „Bitte hebe alle Spielsachen vom Boden auf und lege sie in die Spielzeugkiste.“ Hier vermittelst du deutlich, was mit Aufräumen gemeint ist.
3. Dem Kind zuhören
Kinder möchten gehört werden. Aktives Zuhören ist sehr wichtig: Du schenkst dem Kind deine volle Aufmerksamkeit, unterbrichst nicht und nimmst es ernst. Für Kinder sind das wertvolle Erfahrungen der Wertschätzung und Geborgenheit. Außerdem auch eine notwendige Bedingung für Selbstbewusstsein.
4. Proaktiv Pausen einbauen
Wenn du bemerkst, dass du müde, erschöpft oder gestresst bist, darfst und sollst du dir Pausen gönnen. Ja, gerne mehrere! Als Eltern missachten wir viel zu oft unsere eigenen Bedürfnisse, in bester Absicht, doch mit negativem Effekt: Je ausgelaugter du bist, desto schneller bist du von deinem Kind genervt. Lerne daher gut auf dich selbst zu achten und deine Ressourcen zu pflegen. Regelmäßige Auszeiten funktionieren übrigens auch mit den Kindern. Manche Eltern führen eine Auszeit oder „Zeitinseln“ ein, in denen sich dann die Kinder still beschäftigen dürfen.
5. Nutze Beruhigungstechniken
Mentale Techniken können dir helfen, dich in Stress-Situationen und Krisen schneller zu beruhigen. Ich persönlich habe gute Erfahrungen mit Atem- oder Zählübungen gemacht, um nicht gleich meinem ersten Impuls nachzugeben. Vielleicht liegen dir aber auch Mini-Meditationen oder Visualisierungen besser. Probiere aus, was dich persönlich beruhigt.
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6. Ermutige positives Verhalten
Positive Verstärkung ist eine psychologische Methode, die sich nicht nur auf dich selbst, sondern auch auf dein Kind positiv auswirkt. Aber bitte nicht damit verwechseln, dass ausschließlich gute Leistungen belohnt oder honoriert werden müssen. Auch jede Bemühung verdient, beachtet und gelobt zu werden. Auf diese Weise findest du Möglichkeiten, wieder die kleinen Dinge im Leben schätzen zu lernen. Und dein Kind baut ein positives Selbstbild auf.
Typische Situationen, in denen Eltern Kinder anschreien
Kommen dir die folgenden Beschreibungen bekannt vor? Wenn du die typischen Situationen kennst, in denen du deine Kinder anschreist, kannst du effektiv vorbeugen.
Nimm den Zeitdruck raus
Dein Geduldsfaden reißt schneller, wenn du unter Zeitdruck stehst. Das ist absolut normal. Versuche mal, die Zeit besser aufzuteilen oder mehr Zeit einzuplanen, damit du gar nicht erst in Zeitnot gerätst.
Vermeide das abendliche Drama
Am Abend bist du erschöpft und auch deine Kinder sind vom langen Tag müde. Kommt jetzt noch etwas Anstrengendes hinzu, wie zum Beispiel Einkaufen gehen, ist Geschrei fast schon vorprogrammiert. Wenn es dir möglich ist, dann erledige solche Aufgaben früher.
Schraube deine Erwartungen herunter
Es gibt so einige Momente, in denen du von deinen Kindern ein gutes Benehmen erwartest. Zum Beispiel bei Schulfeiern oder Familientreffen. Dieser Erwartungsdruck beeinflusst dich aber unterbewusst und erzeugt genau das Gegenteil vom Gewünschten: Du bist angespannt und schreist schneller. Auch das Kind spürt deine Nervosität, wird dadurch unruhig und verhält sich erst recht überdreht. Denk daran: Je entspannter du bist, desto entspannter ist auch dein Kind.
Kurz vor dem Ausrasten?
Die Kind-nicht-anbrüllen SOS-Tipps
Tief durchatmen
Wenn du wütend bist, steigt der Adrenalinspiegel, das Blut rauscht dir in den Ohren, du atmest schneller und spannst den gesamten Körper an. In diesem Moment einen klaren Gedanken zu fassen, ist fast unmöglich. Darum ist es wichtig, dass du überhaupt bemerkst, wenn du dich in diesem Stress-Zustand befindest.
Spürst du, wie die Wut hochkocht, dann versuche nichts zu sagen oder zu tun, sondern atme mehrmals tief ein und aus. Ein bewährtes Mittel ist die 3-7-8-Atemübung: bis 3 zählen und dabei einatmen, jetzt 7 Sekunden den Atem halten, auf 8 ausatmen.
Verlasse die Situation
Bemerkst du rechtzeitig, dass du dich nicht mehr selbst beherrschen kannst, ist es das Beste, die Situation kurz zu verlassen. Geh aus dem Zimmer oder gleich aus der Wohnung. Das gibt die die Zeit, erst einmal runterzukommen und wieder klar zu denken.
Nimm es mit Humor
Humor ist wirklich eines der tollsten Mittel, um mit schwierigen Situationen fertig zu werden und die Dinge gelassener zu sehen. Auch Kinder sind so viel kooperativer und lässiger. Außerdem: gemeinsam Lachen verbindet. Tatsächlich gibt es Untersuchungen, die bestätigen, dass Lachen zwischenmenschliche Beziehungen stärkt und vertieft.
Ein Beispiel: Anstatt ernsthaft zu Schimpfen, erfinde kindische Kraftausdrücke, wie “Oh du, großer Nasenpopel!” oder ein anderes Nonsense-Gebrabbel: “Was freut sich und stinkt? Das Gefurztagskind!” oder “Da kackt die Katze doch die Wand an!”
Ich habe mein Kind angeschrien – Was jetzt?
Wenn es dir ab und zu mal passiert, dass du dein Kind anschreist, ist das kein Beinbruch. Wie oben schon erwähnt: Schreien Eltern selten, dann kann das ein gesundes Kind durchaus verkraften. Anbrüllen sollte nur nicht zur Regelmäßigkeit werden. Ebenso wichtig ist, wie du nach dem Konflikt reagierst. Folgende Tipps sind Gold wert:
1. Entschuldigen
Eine Entschuldigung ist das Mindeste, auch wenn du im Recht bist. Schließlich lernt dein Kind so, dass Geschrei keine angemessene Kommunikation ist. Betone bitte, dass es dir sehr leid tut und dein Kind keine Schuld trägt.
2. Gefühle erklären
Als Nächstes sollte dein Kind wissen, warum du es angeschrien hast. Sprich über deine Gefühle von Stress und Überforderung und dass auch du manchmal Hilfe brauchst. Gib auch zu, wenn du von einem bestimmten Verhalten enttäuscht bist und was du dir stattdessen gewünscht hast.
3. Bessere Kommunikation versprechen
Im letzten Schritt sprichst du darüber, wie du es besser machen möchtest. Und ermutige auch das Kind dazu, seine Gefühle und Gedanken mit dir zu teilen, wenn es wütend oder frustriert ist.
Fazit: Erziehen ohne Schreien
Kindererziehung ist nicht ohne und oftmals extrem stressig. Niemand brüllt gerne herum. In der Regel werden Kinder erst dann angeschrien, wenn Mutter oder Vater bereits am Ende ihrer Kräfte sind. Darum ist es so wichtig, dass du gut für dich und deine Gesundheit sorgst.
Mein persönlicher Game-Changer war die Beschäftigung mit Resilienz und Achtsamkeit. Darum habe ich mit Kathi ein Online Resilienz-Coaching entwickelt, das speziell auf die Bedürfnisse von uns Eltern ausgelegt ist – einmal extra für Mamas (mit Zuschuss der Krankenkassen) sowie ein Eltern-Kind-Coaching-Resilienzprogramm.
Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht? Oder nicht gemacht? Wie stehst du zum Thema “Kinder anschreien”?
Quellen:
1) Das Kita-Handbuch: Kinderstreit
2) Ralf-Ingo S.: Kinder anschreien
3) University of Pittsburgh: Yelling doesn’t help, may harm adolescents. Pitt-Led Study finds Impact of harsh verbal discipline similar to that of physical discipline (Studie 2013)
4) Gabriele Möller: Darf ich mein Kind anschreien?
5) Simone Kosog: Konflikte gewaltfrei lösen: Schrei mich nicht an!
6) Familienhandbuch des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung: Mütter in Wut: Wie kann ich meine Wut nur in den Griff bekommen? (Bettina Hertel)
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