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Entwicklungstrauma - bist du betroffen?
Definition, Symptome und Heilung
Wir stellen immer wieder fest, dass gerade Frauen unserer Generation vor besonderen Herausforderungen stehen, was ihre mentale Gesundheit betrifft. Ein Grund dafür kann ein Entwicklungstrauma sein.
Da dieses Thema noch (zu) wenig bekannt ist, haben wir uns entschlossen, es aufzugreifen.
Diese Woche gibt es im Glücksheldin-Podcast ein Interview mit Christine Wilde, Psychologin und Coach.
Alle Inhalte haben wir dir hier zum Nachlesen zusammen gefasst.Ein wichtiger Hinweis vorab:
Wir möchten hier vor allem informieren. Das ersetzt keinesfalls die fachliche Beratung durch einen Arzt. Bitte wende dich bei Problemen immer an den Arzt deines Vertrauens!
1. Entwicklungstrauma: Was ist das? Wie entsteht es?
Trauma ist per se eine Verletzung oder Wunde.
Bei einem Entwicklungstrauma ist es so: Wir sind bis zum 6. Lebensjahr von unseren Erziehungsberechtigten abhängig. Wir brauchen vor allem Sicherheit, also auch ein gleichbleibender Bindungsstil. Also nicht Zuckerbrot und Peitsche oder gar Gewalt. Wir brauchen einen geschützten, sicheren Raum und eine Bezugsperson, die da ist und sich uns zuwendet, uns reguliert und tröstet. Wir müssen genährt werden und brauchen Aufmerksamkeit.
Eigentlich ist das selbstverständlich, jedoch können Eltern sehr gestresst sein, Eheprobleme oder selber Traumata haben und können das den Kindern nicht geben. Wenn das über einen längeren Zeitraum hinweg geschieht oder sehr, sehr schlimm ist, also durch Missbrauch, emotionale Gewalt etc., können frühkindliche Traumata, also Bindungstraumata oder Entwicklungstraumata entstehen.
2. Entwicklungstrauma: Was ist der Unterschied zu sonstigen Traumata?
Entwicklungs- und Bindungstraumata entstehen in der frühen Kindheit über einen längeren Zeitraum hinweg.
Schocktraumata sind im Unterschied dazu einzelne Erlebnisse, die uns erschüttern, das kann in der Kindheit oder später passieren. Zum Beispiel, wenn ein Elternteil stirbt, bei einer eigenen schweren Erkrankung, einem Unfall oder wenn dem Partner etwas passiert. Nach diesen einzelnen Erlebnissen kann man eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln.
Wenn nach einem Entwicklungstrauma ein Schocktrauma folgt, sind das meist die Menschen, die sich nicht gut erholen. Wenn ein Mensch gut und sicher gebunden ist und dann ein Schocktrauma erlebt, erholt er sich meist besser. Wenn mehreres aufeinander aufbaut, spricht man von einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung.
3. Entwicklungstrauma: Was sind Symptome?
Das ist sehr komplex. Probiere doch einmal aus, was passiert, wenn du in die Stille gehst, fühlst du dich sicher? Oder ist das ein Gefühl der Anspannung, eine Unruhe, Gedanken drehen sich stark, du hast das Gefühl du musst etwas tun und dir könnte etwas passieren? Das ist ein ziemlich einfacher Weg, um zu sehen, ob da mehr dahinter ist.
Die meisten psychischen Erkrankungen hängen mit Entwicklungstrauma zusammen. Wichtig zu erwähnen ist auch das sogenannte “window of tolerance”. Wir haben alle einen Bereich in dem wir uns gut, geborgen, sicher fühlen. Es gibt Situationen, in denen wir überschießen, also Panik haben, sehr wütend sind und dann auch wieder runterschießen in eine sehr traurige, niedergeschlagene, einsame Stimmung. Das Fenster ist bei Menschen mit Traumata eher klein und sie schießen eher raus, nach oben oder unten. Man kann dann üben, dieses Fenster zu vergrößern.
Süchte sind sehr oft mit Traumata verbunden, also auch zu viel Sport, zu viel Arbeit, Essstörungen, Drogen, Alkohol.
Bei Depressionen und Ängsten sollte man auch das Thema Trauma mit prüfen.
Experten wie Peter Levine gehen davon aus, dass ein Großteil der Menschen traumatisiert sind. Auch transgenerationale Traumata aus der Nachkriegsgeneration spielen hier eine Rolle.
Bindungstraumata zeigen sich in Beziehungen. Emotionale Abhängigkeit, Gewalt, gar keine Beziehungen, Distanz in Beziehungen. Im Grunde ist die Beziehung zu dir selbst gestört, zur Umwelt und anderen Menschen.
4. Entwicklungstrauma: Was kann ich tun, wenn ich vermute, dass ich betroffen bin?
Erstmal empfehle ich sich mehr zu erkundigen, sich rein zu lesen oder zu hören. Super ist der Podcast von Verena König. Ebenso der Kanal von Dami Charf.
Als Zweites suche dir Unterstützung. Meine eigene Geschichte dazu ist: Hätte ich gewusst, dass ich traumatisiert bin, hätte ich mir 10 Jahre Therapie gespart und hätte direkt die richtige gesucht.
Das heißt, suche dir jemanden, der sich damit richtig gut auskennt, also weiß, dass es auch darum geht den Körper regulieren zu lernen. Das Trauma ist im Nervensystem gespeichert, das heißt, das kannst du mit dem Kopf nicht bearbeiten, sondern mit Bildern und Körperübungen.
Ebenso gibt es inzwischen viele, die traumasensibles Coaching anbieten, diesen Begriff kann man auch googeln. Die Kosten werden nicht von der Kasse übernommen, außer die Person ist auch noch Psychotherapeut.
Es gibt auch Personen, die gut mit diesem Thema leben können, das Leben fühlt sich aber oft schwer und anstrengend an. Das sind dann Menschen, die hochfunktional sind, aber kaum Zugang zu ihren Gefühlen haben, aber merken, dass etwas nicht passt.
An manche Themen ohne Unterstützung heranzukommen, ist sehr schwer.
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5. Entwicklungstrauma: Was hat Selbstregulation mit dem Thema zu tun?
Ich selbst konnte das lange nicht. In sehr überbordenden Situationen lerne ich selbst immer noch mich gezielt zu regulieren.
Selbstregulation heißt: Wenn das Nervensystem auf Hochtouren läuft – sehr wütend, sehr ängstlich – bringst du dich in einen entspannten, ruhigen Zustand, in dem du wieder bei dir bist.
Wenn Kinder starke Emotionen haben, trösten die Mutter oder der Vater, spiegeln die Emotion und das Kind wird ruhiger. Damit reguliert sie oder er das Kind.
Wenn Kinder das nicht von ihren Eltern gelernt haben, weil die Eltern zum Beispiel auch ein Trauma hatten, dann kann das Kind sich nicht selbst regulieren. Diese Fähigkeit haben wir in frühen Jahren noch nicht, das müssen wir erst lernen.
Früher hat man ja zum Beispiel Kinder schreien lassen. Wenn das Kind dann irgendwann still war, hat man angenommen, das Kind hätte sich beruhigt. Das stimmte aber nicht. Die Kinder sind überreguliert, haben ein Bedürfnis, haben Panik. Irgendwann haben sie dir Kraft nicht mehr und fallen in einen unterregulierten Zustand, in dem sie dissoziieren, das heißt, sie spalten ab, dass da etwas gefährlich ist.
Eine traumatherapeutische Übung bei einer Überregulation ist: Wenn du dich ängstlich und übererregt fühlst, setz dich hin und schau dich im Raum um. Orientiere dich und stelle fest, dass du sicher bist.
Wenn man unterreguliert ist: Bringe dich in Bewegung. Putze, laufe, spaziere, höre Musik, um da herauszukommen.
6. Entwicklungstrauma: Das möchte Christine dir noch mitgeben
Das Wichtigste ist: Es gibt Hilfe, und es gibt einen Weg da raus!
Schau dir die Bereiche in deinem Leben, in denen du dir zu viel Stress machst, sorge hier gut für dich und reduziere Stress.
Wenn Gefühle lange unterdrückt wurden, zwinge dich nicht sie wieder hochzuholen, es kann dann sein, dass du die nicht gut wieder einregulieren kannst. Dinge wie Aufstellungen oder experimentelle Retreats können zu viel für dich sein, es geht eher darum, die Themen sensibel und langsam zu betrachten. Lieber zu langsam als zu schnell.
Hör gerne noch in unser Podcast-Interview mit Kathi und Christine rein!
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